Weil jeder Tag zählt
- Ina Luzia
- 27. Apr. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni 2023
Vor einigen Wochen begann für mich das neue Semester. Das erste Mal hieß es für mich raus aus der Jogginghose und ab in den Hörsaal. Vor dem Eingang Maske aufsetzen, Impfpass zeigen und dann einen Platz suchen. Mehr und mehr füllte sich der Saal. Es fühlte sich beinah befremdlich an, in einem Raum voller Menschen zu sitzen. Wer mich kennt, der weiß, dass mich der Besuch von Präsenzveranstaltungen ohne hin schon einiges an Überwindung kostet. Deshalb hatte ich mich im Vorfeld bereits über Online-Alternativen erkundigt. Dafür wurde ich dann im Handumdrehen verurteilt, denn schließlich sollte ich mich doch auf das "normale" Studentenleben freuen. Das klang für mich immer so, als stellte man sich vor, dass Studenten sich nach der Vorlesung in einem Kölner Kaffee oder in einem Park auf einer gemütlichen Picknickdecke treffen, sich austauschen und Abends die Bars der Innenstadt unsicher machen würden. Mag sein, dass das bei manchen Studenten auch so ist, aber meine Realität sieht da völlig anders aus. Nach dem ersten Tag an der Uni, an dem ich bereits einen bleibenden Eindruck hinterließ ( Der ganze Hörsaal inklusive Professorin und mir lachten darüber, dass ich die Tür des Vorlesungssaals nicht aufbekam. Ich zog und zog, merkte sogar an, dass die Tür wohl abgeschlossen wurde. Dabei hätte ich einfach nur ziehen brauchen. ), spürte ich die Erschöpfung in all meinen Körperteilen. Ich sehnte mich nur noch nach einer heißen Dusche und einem warmen Bett. Obwohl ich den ganzen Tag nicht einen Bissen runter bekam, hatte ich keinen Appetit. Irgendwie war dieser Tag für mich ein Verschwendeter. Stelle ich mich einfach nur an, weil ich den Alltag außerhalb meiner Komfortzone nicht mehr gewohnt bin? Vielleicht. Aber ändert das etwas? Für mich ist das "normale" Studentenleben irgendwie nicht das Wahre. In diese Form möchte ich mich auch nicht reinzwängen lassen, nur weil es so von mir erwartet wird. Ich finde wir sollten uns nicht immer im Spiegel der anderen betrachten, sondern unser eigenes Spiegelbild vor Augen haben. Jeder sollte seinen eigenen Weg gehen dürfen und genau das habe ich mir zum Ziel gemacht. Ich möchte jeden Abend, bevor ich die Augen schließe von mir behaupten können, dass ich das bestmögliche aus diesem Tag herausgeholt habe. Denn wer weiß schon, was der Morgen bringt. Und daran, dass meine Erkrankung nicht einfach verschwunden ist, werde ich ohne hin schon häufig genug erinnert. In den meisten Fällen ist es mein Körper selbst, der mir meine Grenzen aufzeigt. Manchmal sind es aber auch wieder die Ärzte, die mich auf den Boden der Tatsachen zurück holen. Mein neuer Gastroenterologe erinnerte mich mal wieder daran, dass ich vielleicht ein etwas größeres Päckchen als andere zu tragen habe:"Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass Ihr Fall meine Kompetenzen überschreitet." Das möchte man als Patient selbstverständlich nicht hören, aber gewundert hat es mich nicht. Wenn überhaupt, dann seine Aufrichtigkeit. Ich hatte mit etwas ganz anderem gerechnet. Vor dem ersten Gespräch mit Ihm legte ich mir Antworten bereit, mit denen ich auf blöde Aussagen kontern konnte. Zum Glück waren diese aber völlig überflüssig. Er gab mir sogar noch mal einen Gedankenanstoß, der mir bis heute nicht aus dem Kopf geht. Das größte Problem sind meiner und tatsächlich auch seiner Meinung nach, die Pyloruskrämpfe. Er erklärte mir, dass mein Magen fehlerhafte Nervenimpulse vom Gehirn bekommt und deshalb krampft. Stress kann zu einer Verschlimmerung führen, allerdings ist es wohl nicht die Ursache. Er bat mich, die Botoxinjektion im Hinterkopf zu behalten. Nachdem ich einige Wochen später der Notfallaufnahme mal wieder einen Besuch abstattete und ich nach stressigen Wochen immer mit Novalgin, Magenschoner und Abführmittel jongliere, denke ich immer öfter über diesen Schritt nach. Alles in allem geht es mir natürlich schon deutlich besser und ich kann mir Dinge vornehmen, die ich dann auch tatsächlich schaffe. Aber ich stoße auch immer wieder an meine Grenzen und bekomme die Quittung beim Überschreiten doppelt und dreifach zurück. Warum ich also diesen Beitrag geschrieben habe...Carpe Diem!
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