Kartoffeln zum Frühstück?
- Ina Luzia
- 17. Nov. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Falls ihr jetzt Fragezeichen im Kopf habt, dann geht es euch wie mir. Am Dienstag hatte ich meinen jährlichen Kontrolltermin für den Magenschrittmacher. Ich hatte bereits Tage vor dem Termin ein mulmiges Bauchgefühl, da es mir schon seit einer ganzen Weile nicht gut geht. Und wie das mit dem Bauchgefühl nun mal so ist, meistens bestätigt es sich. Im Krankenhaus angekommen schickte mich die Sekretärin, die scheinbar immer mit dem falschen Fuß aufsteht, erstmal zur Patientenanmeldung. Sie vergaß bei der Wegbeschreibung wohl, dass ihr rechts und links, nicht mein rechts und links war, was die Kommunikation noch um einiges angenehmer machte (-nicht). Trotz purer Verwirrung über die Richtung, fand ich die Patientenaufnahme und wartete anschließend vor dem Untersuchungszimmer. Zwei Stühle links von mir saß ein Mann mit einem iPad, neben ihm stand ein schwarzer Rucksack. Das musste der Techniker sein: "Hallo, sind Sie derjenige, der mich gleich ausließt?", fragte ich ihn. "Ja das bin ich. Dann sind Sie sicher die Reiterin.", antwortete er. Und so konnte ich mich selbst in einem drei Stunden entfernten Krankenhaus mit einem Fremden über Pferde unterhalten. Später mehr dazu, warum ich von diesem Gespräch erzähle. Nach kurzer Wartezeit wurden Mama und ich dann rein gebeten. Wie erwartet trafen wir auf Prof. R. und den Techniker, aber auch noch auf zwei Frauen in medizinischer Bekleidung, die ich im ersten Moment nicht zuordnen konnte. Ohne, dass ich viel zu meinem aktuellen Zustand erzählen oder meine Fragen ansprechen konnte, wurde das Thema Ernährung priorisiert. Nun wurde mir auch klar, warum die zwei Frauen bei dem Termin dabei waren - Diätassistentinnen. Dieses Thema ist seit den unzähligen Erfahrungen mit ratlosen Ärzt:innen ein rotes Tuch für mich. Ich habe in den letzten 8 Jahren wirklich ALLES erdenkliche ausprobiert, was mir geraten wurde. NIE hat es mir geholfen. Deshalb bin ich mein eigener Ernährungsexperte geworden und habe über viele Jahre hinweg ausgetüftelt, was meinem Darm gut tut und was nicht. Warum um alles in der Welt, kommt man mir jetzt wieder damit?! Ja wir sind therapeutisch am Ende, ja wir haben alle Medikamente und Hilfsmittel durch. Aber Ernährung? So perplex wie ich war, hörte ich mir an, was die Damen zu sagen hatten. Kernessenz der vielen überflüssigen Worte war: Proteine und Ballaststoffe - als würde ich mich nur von trockenem Weißbrot ernähren...Ehrlich gesagt fühlte ich mich lange nicht mehr so diffamiert, wie in diesem Gespräch. Ich solle doch grundsätzlich auf Brot verzichten und stattdessen lieber eine gekochte Kartoffel zum Frühstück essen, schließlich könne man darauf ja auch super Frischkäse schmieren. Und Möhrensuppe vermengt mit ihrem Proteinpulver, wovon sie zufälligerweise noch eine Probe aus ihrer Hosentasche zaubern konnte, wäre perfekt. Außerdem seien Haferflocken das non plus ultra. Hatte sie sich eigentlich selber zugehört? Sehe ich so aus, als würde ich mir jeden morgen eine Kartoffel abkochen, um diese dann mit Frischkäse und Möhrensuppe zu essen? Die Haferflocken waren mir aber ein noch größerer Dorn im Auge. Ich kann eine kleine Schüssel aufgeweichte Haferflocken MAL -in guten Phasen- vertragen. Aber nicht, wenn es mir eh schon schlecht geht und nichts an Nahrung oder Flüssigkeit weitertransportiert wird. Ziel dieser ganzen Fas sollte es sein, einen weichen Stuhl zu zaubern. Herzlichen Glückwunsch, das habe ich bereits ohne diese originellen Weisheiten erreicht - trotz Brötchen zum Frühstück. Und selbst wenn ich einen harten Stuhl hätte, dann müsste man im ersten Schritt ein Ernährungstagebuch schreiben, analysieren und maßgeschneiderte Pläne anlegen mit dem Hinweis der ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Apropos Flüssigkeit... Das Wasser, womit ich meinen Dickdarm spülen soll, bleibt zum Teil ebenfalls im Bauch und kommt auch nach Massage und Bewegung nicht raus. Ich war wirklich nicht gut in Chemie, aber einen flüssigeren Zustand als Wasser gibt es meines erachtens nunmal nicht. Aber das war ja noch nicht die Spitze des Eisbergs. So ganz nebenbei erwähnte Prof. R., dass er überhaupt kein Fan von Reiten bei chronischen Darmerkrankungen sei. Hier wird die Rumpfmuskulatur so stark angespannt, dass das für die Darmtätigkeit nicht günstig ist. Das entfachte eine riesige Diskussion zwischen Prof. R., mir und dem Techniker, der meine Seite regeros unterstütze. Ende vom Lied ist, dass ich in guten Phasen reiten darf, in schlechten Phasen aber spazieren gehen oder schwimmen bevorzugen soll. Ich sag mal so, was man alles sollte und müsste... Ich werde immer dann reiten, wenn ich mich danach fühle - egal ob Bauchweh oder nicht. Mir geht es in schlechten Phasen mit und ohne Reiten einfach nicht gut, ich kann solche Phasen selbst überhaupt nicht beeinflussen. Ich kann sie nur aushalten und mich um meine Psyche kümmern. Und dazu muss ich nunmal meinen Hintern in den Sattel schwingen. Meine Mama und ich sind völlig überrumpelt und hilflos aus diesem Termin gegangen. Das Einzige, was wir jetzt noch ausprobieren werden ist der, von Prof. R. vorgeschlagene, Kolon-Massagegürtel und die Nahrungsergänzungsmittel für die Darmflora. Ich versuche dem Ganzen gegenüber mental aufgeschlossen zu bleiben, schließlich sind Wunder nie auszuschließen - die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber wenn auch diese letzten Versuche nicht helfen, dann läuft es wohl oder übel auf eine Dickdarmentfernung oder -teilentferung hinaus. Absolut nicht das, was ich hören wollte und trotzdem nicht das schlimmste an diesem Termin. Alle Anwesenden dachten, dass ich wegen der Dickdarmentfernung anfangen musste zu weinen. Also versicherte mir Prof. R., dass er alles erdenkliche versuchen werde, um diese so lange wie möglich hinauszuzögern. Doch deswegen flossen keine Tränen. Der Techniker würde es verstehen... ich musste weinen wegen dem "Reitverbot". Ich weiß, viele Menschen werden das nicht verstehen. Es ist auch unglaublich schwer zu beschreiben. Divine gibt mir einfach das Gefühl nicht krank zu sein und das hält mich jeden Tag am Leben.
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