Sofawolf
- Ina Luzia
- 30. Dez. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni 2023
Wir öffneten ein kleines Holztor zu einem großen Garten. Plötzlich stürmte ein kleiner schwarzer Wildfang auf uns zu und begrüßte uns, als hätte er schon sehnlichst auf uns gewartet. Den Kleinen hatte man auf Sardinien in einer Mülltonne gefunden und nach Deutschland gebracht. Mit der Unterstützung meines Bruders überredeten wir unsere Eltern, "nur mal gucken" zu fahren. Nach dieser Begrüßung hatte es sich mit dem "nur mal gucken" schnell erledigt. Kurzerhand fuhren wir nicht mehr zu viert, sondern zu fünft nach Hause. Jetzt kann ich mir ein Leben ohne unseren Tony kaum noch vorstellen. Fast 10 Jahre begleitet er uns nun schon und sorgt immer dafür, dass man sich nie alleine fühlt. Wenn man nach Hause kommt, dann kann man sich sicher sein, dass bereits hinter der Tür ein Hund mit wackelndem Schwänzchen auf einen wartet. Manchmal überkommt ihn aber auch die Faulheit und er liegt mit wackelndem Schwänzchen im Wohnzimmer und wartet, dass man ihn begrüßt. Früher betonte Mama immer: "Der Hund kommt nicht aufs Sofa!". Tony entschied sich aber im laufe der Jahre dagegen. Er ist nämlich ein Meister darin, sich heimlich auf unser Sofa zu schleichen. Zuerst spielt er die Karte mit dem Hundeblick aus. Dann landet eine Pfote auf dem Sofa und ehe man sich versieht liegt der ganze Hund mit weit ausgestreckten Beinen neben einem. Als er uns an einem kalten Herbstabend im Wald weggelaufen war, weil er mal wieder den irrwitzigen Gedanken hatte, er könnte ein Reh fangen, suchten wir Stunden nach ihm. Die ganze Familie lief mit Taschenlampe durch den Wald und überall schallte es: "Tooooonyyyy". Papa stieß nach einigen Stunden auf den Förster. Dieser fragte, ob wir einen schwarzen Hund suchen würden. "Ja genau, unser Tony ist weggelaufen.", antwortete Papa. Der Förster gab uns eine Adresse von einer Frau aus dem Dorf. Als wir dort ankamen lag Tony, sich keiner Schuld bewusst, auf dem Sofa der Frau und erholte sich von seiner wilden Jagt. Unser Sofawolf! Ab und zu ärgert man sich zwar, aber Tony gibt so viel mehr zurück, als es die meisten Menschen tun würden. Hunde urteilen nicht. Sie nehmen dich so wie du bist, egal wie du bist. Und sie stehen dir jeder Zeit treu zur Seite (außer es läuft ihnen gerade ein Reh vor die Nase). Vor wenigen Wochen noch rief mich meine behandelnde Ärztin aus dem Krankenhaus an und klärte mich über die Befunde des letzten Aufenthaltes auf. Niemand war da, der mich hätte in den Arm nehmen können. Ich setzte mich neben das Sofa auf den Teppich. Kurz darauf kam Tony um die Ecke und schlabberte mir meine Tränen aus dem Gesicht. Zugegeben, es war etwas ekelig. Aber gleichzeitig war es so lustig, dass ich aufhörte zu weinen. Tony legte sich noch eine Weile neben mich und war einfach an meiner Seite. Keine Fragen, keine Antworten. Kein Gespräch, nur Trost. Ich strich mir die Tränen aus dem Gesicht, die Tony nicht erwischt hatte. Dann zog ich ihm sein Halsband an und mir meine Rollschuhe. Um nachzudenken oder auch um den Kopf frei zu kriegen, ist eine Runde Rollschuhfahren mit Tony als "Schlittenhund" genau das Richtige.

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