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Schmerzgedächtnis

Leider ist mein Schmerzgedächtnis über die jahrelange Belastung sehr ausgeprägt. Es reicht der kleinste Auslöser und mein Warnsystem schlägt Alarm. Ich würde sagen, dass ich verschiedene Arten von Schmerzen empfinde. Da gibt es die physiologischen Schmerzen. Das waren vor der Operation vor allem die Magenschmerzen, die kurz nach dem Essen und Trinken einsetzten. Es fühlte sich an, als würde ich einen Backstein im Bauch haben, der immer wieder an die Magenwände schlägt. Oder als würde sich ein kleines Männchen mit einem Flammenwerfen im Magen austoben. Die stechenden Schmerzen strahlten bis zum Herzen. Mein Magen fühlte sich so voll an, dass ich mich auch noch lange Zeit nach der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nicht hinlegen oder bücken konnte, denn sonst hätte der Inhalt einen Turn gemacht. Der Druck war teilweise einfach nicht auszuhalten. Der Magen drückte zusätzlich gegen das Zwerchfell, weshalb ich das Gefühl hatte, dass mir jemand auf den Lungenflügeln sitzen würde. Ich vermute, dass durch die Engstelle am Zwölffingerdarm mein Magen nicht entleeren konnte und der Pylorus deshalb willkürlich krampfte. Wenn ich einen Krampf hatte, fühlte es sich an wie eine Panikattacke. Ich konnte nur noch flach atmen, mein Magen wurde hart und schmerzhaft. All diese Probleme im Oberbauch habe ich seit der Operation nicht mehr. Wer mir aber nach wie vor große Schmerzen zufügt, ist mein bester Freund der Darm. Hier ist das Schmerzbild ähnlich, aber nicht ganz identisch mit dem des Magens. Durch die Muskelstörung des Darms hatte ich schon immer mit Verstopfungen zu kämpfen. Die Schmerzen sind oft nur auszuhalten, in dem man sich zusammengerollt, die Arme über den Bauch verschränkt und abwartet, bis das Abführmittel wirkt. Die Krämpfe vom Abführmittel sind dann mindestens genauso schrecklich. Seit der Operation habe ich auf der linken und rechten Seite des Unterbauchs starke, stechende Schmerzen. Als würde etwas spitzes an der Darmwand kratzen. Manchmal fühlt es sich an wie anhaltende Seitenstiche. Diese Schmerzen werden aber weniger. Das sind wahrscheinlich die Nachwirkungen der Operation. Schließlich musste mein gesamter Darm rausgenommen und anschließend wieder reingelegt werden. Bis sich die Darmschlingen erholt haben, kann schnell mal ein halbes Jahr vergehen. Das schlimmste sind aber nicht die physiologischen Schmerzen, denn dagegen gibt es schließlich Schmerzmittel. Viel schlimmer ist der Schmerz, gegen den keine Schmerzmittel helfen. Mein Bauch quellt bei den kleinsten Mengen von Nahrung und Flüssigkeit so stark auf, dass ich Angst habe zu platzen. Ich möchte mich nicht mehr bewegen, nichts mehr zu mir nehmen und vor allem möchte ich meinen aufgequollenen Bauch nicht ansehen. Nicht, weil ich mich hässlich fühle, sondern weil mein Kopf mir sagt: "Gleich wird dein Darm reißen. Dein Bauch wird einfach explodieren." Der Schmerz der gespannten Bauchdecke, in Kombination mit dem Gedanken zu platzen, scheint mir die Hölle auf Erden zu sein. Ich kann meinen Bauch so nicht ansehen. Unter der Dusche ziehe ich ihn ein und versuche möglichst wegzugucken und ihn nicht zu berühren. Ich trage Jogginghosen mit weitem Gummizug, um den Druck der Hose nicht spüren zu müssen. Wenn ich das Haus verlasse, dann trage ich eine Jeans mit offenem Hosenstahl und Knopf. Ich räume ein, dass der Bauch nach dem essen bei jedem voll ist und man das spürt. Bei mir aber ist das ein Dauerzustand. Es reicht eine Banane oder ein Glas Wasser und ich fühle mich mindestens für die nächsten 4 Stunden voll. So voll, als hätte ich die Speisekarte von McDonalds zweimal hoch und runter gegessen. Das dauerhafte Völlegefühl führte dazu, dass ich Ängste vor jedem Essen und jedem Glas Wasser entwickelte, die bis heute anhalten.

 
 
 

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