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Pech und Pech

Wie einige von Euch vielleicht wissen, bin ich gerade in Quarantäne. Nach einem schweren Magen-Darm-Infekt habe ich nun Corona. Das Pech scheint mich ausgesucht zu haben und mich zu verfolgen. Aber zurück zum Anfang der Geschichte. Meine Depression hat in den letzten Wochen an Fahrt aufgenommen, sodass meine Therapeutin ein Antidepressivum für hilfreich erachtete. Diesen Weg hatte ich bislang ausgeschlagen, da Psychopharmaka sich negativ auf die Verdauung auswirken können. Doch dank der sozialen Medien fand ich heraus, dass es Antidepressiva geben soll, die im off-labe-use speziell für Motilitätsstörungen eingesetzt werden. So wagte ich also doch den Schritt zum Psychiater. Nach Rücksprache mit meinem Gastroenterologen bekam ich ein Medikament, das prokinetische Wirkung verspricht. Das heißt, es wirkt eher verdauungsanregend als -verlangsamend. Da trotzdem andere Nebenwirkungen auftreten können, sollte ich erst nach der geplanten Geburtstagsfeier mit der Einnahme beginnen. Meinen Geburtstag zu feiern kostete mich ohnehin genügend an Überwindung, weil ich seit meiner Erkrankung kein Fan von Partys im großen Stil bzw. von Partys jeglicher Art bin. Doch Mama organisierte den Abend so, dass ich zu keinem Zeitpunkt innerliche Unruhe oder Anspannung spürte. Ganz im Gegenteil, dank Mama konnte ich jeden Moment des Abends genießen. Ich merke an solchen Dingen immer, wie sehr mich die Erkrankung in meiner Persönlichkeit verändert hat. Als ich klein war, liebte ich es bei Familienfeiern am Tisch der Erwachsenen zu sitzen und ihren Gesprächen zu folgen. Heute versuche ich jede Festlichkeit so weit wie nur irgend möglich zu meiden. Deshalb waren alle inklusive mir besonders stolz drauf, dass ich meinen 25. Geburtstag mit Familie und Freunden feierte. Und dank dem Ratschlag meiner Therapeutin, die Frage nach meinem Gesundheitszustand im Voraus zu verbieten, ging es an diesem Tag nur um mich. Ich war nicht krank, ich war nur Ina, nicht mehr und nicht weniger. Nach meinem Geburtstag sollte ich dann mit der Einnahme des Antidepressivums beginnen. Doch ein Magen-Darm-Infekt kam mir in die Quere. In der Nacht von Sonntag auf Montag rannte ich im Minutentakt ins Badezimmer. Dabei musste ich so schnell zwischen Toilette und Waschbecken wechseln, dass ich mir gewünscht hätte, beides gleichzeitig nutzen zu können. Von 4 Uhr Nachts bis 11 Uhr Morgens fand ich keine Ruhe. Jeder Versuch etwas Wasser zu trinken scheiterte. Nach tagelangem Dauer-Schlaf wagte ich mich vorsichtig an Gemüsebrühe, Babybrei und Zwieback ran. Doch obwohl ich kaum etwas gegessen und getrunken hatte, wurde mein Bauch immer dicker und dicker. Ich konnte Nachts vor Schmerzen nicht schlafen, weil ich das Gefühl hatte, meine Bauchdecke würde jede Sekunde zerreißen. Als die Schmerzen auch am nächsten Morgen nicht abgeklungen waren, gab es für mich nur einen Ausweg: Abführmittel. Vermutlich hätte mir jeder Arzt gesagt, dass Abführmittel nach Durchfall keine gut Idee ist. Aber ich kenne meinen Körper mittlerweile ziemlich gut und ihr könnt mir glauben, wenn ich euch sage, dass ich in diesem Moment genau wusste, was ich tue. An dieser Stelle ein großes Achtung! In der Regel ist es immer die bessere Entscheidung einen Arzt aufzusuchen, statt mit seinen Medikamenten eigenständig zu experimentieren. In meinem Fall ging es gut und ich hatte mir zwei Tage Auszeit von den Schmerzen verschafft. Meine behandelnden Ärzte schienen ohnehin Karneval zu feiern. Und mich in die Notaufnahme eines Kölner Krankenhauses zu setzten, erschien mir auch nicht sinnvoll zu sein: Stundenlanges Warten zwischen Betrunkenen, die mir mit Sicherheit den nächsten Infekt einhandeln würden, für ein Gespräch mit einem Arzt, der meine Krankengeschichte sowieso nicht verstehen würde... Jetzt, drei Wochen nach dem Infekt halte ich mich immer noch mit Abführmitteln, zusätzlichen Medikamenten und NaCL-Infusionen vom Hausarzt über Wasser, während ich auf einen Termin für eine Botox-Injektion warte. Dabei wird der Muskel zwischen Magen und Darm mit einem Ballon geweitet und mit Botox gespritzt. So wird der Ausgang des Magens gelähmt, sodass dieser für Flüssigkeiten und Nahrungsbrei geöffnet bleibt. Auch wenn ich immer noch nicht fit bin und auch wieder abgenommen habe, hatte ich das Gefühl, es würde Schritt für Schritt voran gehen. Doch dann kam Corona. Ich fühlte mich wieder extrem abgeschlagen und musste mich nach "größeren Anstrengungen" hinsetzten, weil mich die Kraft in den Beinen verließ. Ich dachte, dass es sich um einen depressiven Schub handeln würde. Schließlich sollte ich mit der Einnahme des Antidepressivums nun doch noch warten, bis die Symptomatik von Magen und Darm etwas abgeklungen war. Tag für Tag versuchte ich also trotz allem weiter zu machen, denn laut meiner Therapeutin sollte Bewegung mir dabei helfen, die Depression mit der Zeit zu überwinden. Ich bemerkte dabei aber nicht, dass mir alles über den Kopf wuchs. Als ich vom Stall nach Hause kam und meine Medikamente einnahm, ließ ich eine Flasche mit Medizin fallen. Sie zersprang in ihre Einzelteile. Obwohl dieses Missgeschick nicht schlimm war, brach ich in Tränen aus. Es platze aus mir heraus, als sei ein Staudamm gebrochen. Nachdem das Corona-Testergebnis dann auch noch positiv ausfiel, konnte ich mich kaum noch beruhigen. Das gemeine an dem Virus sind in meinem Fall nicht die Symptome, sondern das Isolieren. Gerade bei einer Depression sind soziale Kontakte das A und O, doch genau das fehlt. Manchmal ist es nur eine kurze Umarmung, die mir dabei hilft weiter zu machen. Mir fehlt auch die Ablenkung durch das Reiten. Zum Glück muss man sich nicht mehr völlig von der Außenwelt abschotten, sodass ich immerhin einen kleinen Spaziergang mit unserem Hund schaffe. Vielleicht hat mein Psychologie-Professor Recht, wenn er sagt: Das meiste, was uns im Leben passiert, ist Zufall. In diesem Sinne ein kleiner Gedankenanstoß. Es kann uns besser gehen, wenn wir die Ursache für negative Ereignisse als Zufall interpretieren und nicht als Fehler unserer Person.


 
 
 

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