Lieblingsarzt
- Ina Luzia
- 21. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni 2023
Im letzten Beitrag hatte ich von einem frustrierenden Termin in der Neurologie erzählt und dachte, dass es nun an der Zeit wäre, sich damit abzufinden, dass die Ärzte nicht mehr weiter wissen. Doch heute nahm mein Denken eine Wendung in die andere Richtung. Heute war ich bei meinem jährlichen Kontrolltermin wegen der Prothese. Da das Jahr mal wieder wie im Fluge an mir vorbei zog, hatte ich ganz vergessen einen Termin zu vereinbaren. Ein Glück, dass Dr. Incredible mich vor einigen Tagen per WhatsApp daran erinnert hatte. Nach dem Frühstück fuhren meine Mama und ich erst einmal zur Corona-Test-Station, bevor wir uns auf den Weg nach Duisburg machten. Ich erinnerte mich an die Autofahrt vor der Operation, als wäre es gestern gewesen und gleichzeitig schien mir alles doch schon so lang her zu sein. Es ist immer wieder ein komisches Gefühl ins Krankenhaus zu fahren. Irgendwas zwischen Routine und Beklemmung. Da hilft es, wenn man nicht alleine ist. Ich meldete mich wie besprochen im Sekretariat für die Gefäßchirurgie. Mit dem Aufzug ging es in den ersten Stock, wo ich auch schon gleich auf Dr. Incredible traf: "Ach, da ist sie ja", sagte er, stand von einem Stuhl im Wartebereich auf und schüttelte uns die Hand. Dann bat er uns für einen Moment Platz zu nehmen und verschwand mit einer Ruhe, wie ich sie bei noch keinem Arzt gesehen habe. Als wäre er die Gelassenheit in Person, als könnte ihn nichts und Niemand aus der Fassung bringen. Nach ein paar Minuten kam er zurück und ging mit uns in den Untersuchungsraum. Der Ultraschall zeigte eine einwandfrei sitzende Prothese. Er fragte mich nach meinem Gewicht und wie es mir in der letzten Zeit ergangen war. Ich erzählte ihm von den guten und den schlechten Episoden. Er erklärte mir, dass ich leider einer der seltenen Fälle bin, bei denen das Wilkie-Syndrom nicht die Primär- sondern die Sekundärerkrankung war. Dann fragte er mich noch, ob es im letzten Jahr weitere Untersuchungen geben hat. "Nein. Egal zu welchem Arzt oder in welche Klinik ich auch gehe, jedes Mal wird mir gesagt, dass alles an Diagnostik bereits gemacht wurde. Sie nennen es nur Motilitätsstörung, mehr sagen sie nicht dazu", antwortete ich, während mir wieder einmal die Tränen aus den Augen kullerten. Für Dr. Incredible war das keine Diagnose. Er erzählte mir von einem Gastroenterologen, der bereits Patienten von ihm behandelt hat und der anders herum auch Patienten zu ihm in die Gefäßchirurgie schickt. Denn das Problem beim Wilkie-Syndrom ist, dass es eine Ausschlussdiagnose ist. Dabei handelt es sich also um eine Diagnose, die indirekt durch das Ausschließen anderer Ursachen gestellt wird. Man kann daher nie zu 100% sagen, ob das Kompressionssyndrom die Ursache aller Symptomatik ist oder ob es sich nur, wie in meinem Fall, um eine Folge einer anderen Erkrankung handelt. Das Wilkie-Syndrom wird übrigens nicht nur an dem steilen Winkel der Bauchschlagader gemessen, sondern auch an der Dicke der Arterie. Denn es gibt Menschen, deren Bauchschlagader so dünn ist, dass diese trotz engem Winkel, den Zwölffingerdarm nicht einklemmt. Scheinbar ziehe ich in Bezug auf Erkrankungen des öfteren den Schwarzen Peter. Wie auch immer, zurück zum Kontrolltermin: Dr. Incredible klopfte mir auf die Schulter, während Mama mir ein Taschentuch anreichte und sagte, dass er den Kontakt zu dem Gastroenterologen herstellen wird. Er wird ihm meine Unterlagen schicken und mich vorstellen, damit dieser im Anschluss einen Termin mit mir vereinbaren kann. Heißt, ich muss mich zur Abwechslung mal um nichts kümmern. Ich muss ihm nicht einmal meine Krankengeschichte erzählen. In der Regel sind Ärzte ja bekanntlich nicht meine Lieblingsmenschen, aber dieser Arzt ist wirklich die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ich kenne keinen Arzt, dem das Wohl seiner Patienten so am Herzen liegt, wie ihm. Der rund um die Uhr zu erreichen ist, der sich sofort um die Anliegen seiner Patienten kümmert und der alles unternimmt, damit es seinen Patienten gut geht. Genau deshalb ist er mein Lieblings-Arzt.
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