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Lerne auf dich aufzupassen

Aktualisiert: 15. Dez. 2022

Ich würde fast behaupten, dass das meine größte Lektion während der Therapie war: Auf mich selbst aufzupassen. Bestimmt habe ich darüber schon einige Male geschrieben, aber das Thema kommt immer wieder in unterschiedlichen Lebensbereichen auf und beschäftigt mich. Gerade sitze ich in einem ziemlich tiefen Loch fest und während ich versuche heraus zu klettern, stürze ich immer und immer wieder hinein. Diese Phase, in der ich stecke, zieht sich schon eine ganze Weile und lässt alles irgendwie grau erscheinen. Heute hatte ich einen wirklich schönen Tag an der Uni. Die Seminare versprechen interessante Themen, die Professoren machen einen sehr netten Eindruck und ich habe coole Leute kennengelernt, mit denen ich mich auf das Lernen in diesem Semester freue. Und trotzdem sitze ich traurig in meinem Zimmer, weil ich das Gefühl nicht los werde, dass mein Bauchmonster alles überschattet. Egal mit welchen positiven Dingen ich mich ablenke, am Ende des Tages blicke ich auf mein Abendessen und wünschte, dass Luft und Liebe zum überleben ausreichen würden. Jeder Schluck, jede Mahlzeit fühlt sich wie Selbstverletzung an. Ich weiß, dass ich irgendwann aus diesem Loch wieder rauskommen werde. Ich weiß auch, wofür bzw. für wen ich jeden Tag aufstehe. Und ich weiß, wie schön das Leben ist. Doch selbst wenn mein Bauchmonster für eine Weile still ist, fühle ich mich nicht angekommen. In guten Phasen zu denken, man müsste Bäume versetzen, weil der Kopf einem einredet, dass rückblickend alles gar nicht so wild war, ist alles andere als auf sich aufzupassen. Keine Ahnung, wie oft ich noch gegen dieses schlechte Gewissen ankämpfen muss, aber lasst es euch gesagt sein: Wenn wir anfangen nicht mehr so hart zu uns selbst zu sein, dann wird auch der Rest der Welt sanfter. Das gilt insbesondere für alle unter euch, die diesen ständigen Leistungsdruck verspüren und dazu neigen sich kleiner zu machen, als sie sind. Fangt an für euch selbst einzustehen, denn wer sonst tut es für euch? Nur wer auf sich selbst Acht gibt, kann diese Kraft an andere weitergeben. So viel zum Thema Selbstvertrauen und Selbstwert. Was das angeht kann ich immerhin mit stolz behaupten, dass ich es vor kurzem erfolgreich umsetzen konnte. Auf Instagram wurde ich von einer Journalistin eines Magazins angeschrieben, die meine Krankengeschichte gerne veröffentlichen würde, weil sie diese wohl "berührend" findet und Awareness für Seltene Erkrankungen schaffen möchte. Mein Bauchgefühl warnte mich von Anfang an, da ich bereits schlechte Erfahrungen mit Zeitschriften gemacht hatte. Ich erfragte, wie ich sicher sein könnte, dass auch nur der von mir freigegebene Text veröffentlicht werde. Die einfache Antwort darauf lautete: Vertrauen. Dann wurde mir auch schon eine E-Mail-Adresse geschickt, an die ich persönliche Bilder senden sollte. Außerdem wurde ich gefragt, welche Erkrankung ich habe. Da bin ich fast aus allen Wolken gefallen. Wie kann man sich von meiner Geschichte "berührt" fühlen, aber nicht wissen, an welcher Erkrankung ich leide? Dass ich für die Rechte an meinen Bildern bezahlt werden wollte und auf eine entsprechende Erwähnung dieser bestand, war anscheinend zu viel des Guten. Die Journalistin antwortete mir, dass das Magazin für die Bilder nichts bezahlen werde und ausschließlich mit Menschen zusammenarbeitet, die ebenfalls Awarness schaffen wollen. Mir kullerten sofort die Tränen aus den Augen. Man unterstellte mir gerade, ich würde mich nicht für Seltene Erkrankungen einsetzten, denn es würde mir nur um das Geld gehen. Und das als ein Unternehmen, das mit der Veröffentlichung meiner persönlichen Geschichte ihr Geld verdient! Wer sich wirklich für Seltene Erkrankungen einsetzen möchte, der ist auch bereit etwas dafür zu geben. Sei es eine kleine Gage als Anerkennung oder ganz einfach ein Dankeschön. Eine Zusammenarbeit lehnte ich logischerweise ab und wies darauf hin, dass jeder Mensch ein gewisses Maß an Wertschätzung und Respekt verdient hat. Dass ich diese unüberlegten Worte der Journalistin so nah an mich herankommen ließ, ärgerte mich mal wieder. Aber ich konnte mir selbst beweisen, dass ich meinen Wert kenne und für diesen eintreten kann. Was mir im Gegensatz dazu so gar nicht leicht fällt, ist es Vertrauen in Ärzte zu haben. Momentan fühle ich mich wie ein wandelnder Chemiecocktail. Jeder doktert an meinem Körper herum, aber keiner macht es besser. Es fühlt sich an als würden mich alle Hände, die versuchen mir aus dem Loch heraus zu helfen, mich kurz vor dem Ende wieder los lassen. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich überfordert mit der Situation, obwohl ich sie schon so oft erlebt habe. Ich wünschte, ich könnte nur für einen Tag eine Auszeit von mir selbst haben. Eine Pause von meinem Körper, von meinen Gedanken.



 
 
 

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