Diagnose Nr.3: SIBO
- Ina Luzia
- 28. März 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Apr. 2021
Schon wieder klingelt der Wecker. Ich greife nach einer pinken Dose, "Klack" öffne den Deckel und entnehme eine Tablette. Obwohl das Einnehmen der Medikamente schon ins Blut übergegangen ist, klingelt zwei bis drei mal täglich immer zur gleichen Zeit mein Wecker. Ich spürte damals schon nach wenigen Tagen eine leichte Verbesserung, doch des Rätsels Lösung schien das Resolor nicht zu sein. Kurz vor dem Sommer ging es mir plötzlich wieder schlechter und ich meldete mich bei den Ärzten aus Hamburg. Ich sollte erneut aufgenommen werden, um zusätzlich ein anderes Medikament auszuprobieren. Mit Resolor sollte der Darm und mit Gasmotin der Magen in Bewegung gebracht werden. Warum ich dafür schon wieder drei Tage ins Krankenhaus musste? Gasmotin ist ein Medikament, das nur in Japan zugelassen ist und hier nur unter besonderen Umständen verschrieben werden darf. Da es keine ausreichenden Studien über Nebenwirkungen gibt, sollte ich jeden Tag durch ein EKG überwacht werden. Da ich dieses Mal alleine in die Hansestadt fuhr, freute ich mich sehr über den Besuch von Ines. Sie war das letzte Mal im Krankenhaus meine Zimmernachbarin gewesen und wir hatten den Kontakt aufrecht erhalten. Das Gasmotin schien keinen Einfluss auf meinen Magen zu nehmen, brachte dafür aber heftige Nebenwirkungen mit sich. Ich war total müde und abgeschlagen. Ich fühlte mich wie in einem Film, als würde ich gar nicht am realen Leben teilhaben. Aus heutiger Sicht ist es völlig klar, warum der Versuch nach hinten losging. Schließlich konnte mein Magen durch die Kompression des Zwölffingerdarms überhaupt nicht entleeren. Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir mit der Diagnostik ja noch nicht so weit. Die Ärzte waren ratlos und kamen auf den Gedanken einer Fehlbesiedlung des Dünndarms zurück. Eine sogenannte SIBO (small intestine bacterial overgrowth) wurde zwar bereits durch den H2-Glucose-Atemtest ausgeschlossen, allerdings wurde der Verdacht eines H2-non-producer geäußert. Dickdarmbakterien gelangen durch zu langsame Darmbewegung in den Dünndarm. Ihr könnt es euch vorstellen, wie bei einem stehenden Gewässer und einem Fluss. Der Fluss ist klar, weil das Wasser fließt. Ein See hingegen ist trüb und voller Algen. Im Dünndarm vermehren sich die Bakterien dann durch den Nahrungsbrei und verursachen einen Blähbauch durch die Bildung von Gasen, die nicht entweichen können. Das führt zu Schmerzen, Übelkeit und dauerhaftem Völlegefühl. Eine SIBO kann durch einen einfachen Atemtest nachgewiesen werden, indem der H2 Gehalt der Atemluft gemessen wird, denn H2 wird von den Bakterien normalerweise ausgestoßen. Bei mir wurde vermutet, dass die Bakterien kein H2 produzieren und somit das Testergebnis verfälscht war. Also wurde mir versuchsweise drei mal täglich ein hochdosiertes Antibiotikum (Rifaximin 550mg) verordnet. Während der zehntägigen Einnahme ging es mir noch schlechter als vorher. Die Symptome wurden schlimmer und ich konnte kaum noch etwas trinken, geschweige denn essen. Einige Wochen nach der Einnahme ging es mir erstaunlich gut. Ich konnte kaum fassen, wie gut es mir ging. Die Symptome im Darmbereich waren wie ausradiert. Aber leider war die Freude nur von kurzer Dauer, denn es ging mir immer wieder schlecht. Es war ein Auf und Ab, regelmäßig sollte ich das Antibiotikum einnehmen, das mal mehr und mal weniger gut half. Als die Zeitabstände zwischen den Antibiotikum freien Wochen und den Wochen der Einnahme von Rifaximin immer kürzer wurden, sollte ich einen Termin bei der Ernährungsberatung machen. Mithilfe der Low-FODMAP-Diät, sollte die Ausbreitung der Bakterien verlangsamt und so die Antibiotikum freien Phasen verlängert werden. Bei dieser "Diät", wird eine Vielzahl von Lebensmitteln weggelassen, um so den Bakterien möglichst wenig Nahrung zu geben. Zum Beispiel waren Beerenfrüchte erlaubt, Kernobst hingegen verboten. Ich brauchte einige Zeit, bis ich rausfand, wie ich mein Gewicht einigermaßen halten und gleichzeitig die Vorgaben einhalten konnte. Jedes Rezept inklusive Angabe der Menge, die ich vertragen konnte, habe ich in meinem Kochbuch notiert. Doch so sehr ich mich auch bemühte, es war vergebens. Seit einem Jahr hatte ich nun schon regelmäßig Rifaximin eingenommen und auch die Ernährungsumstellung half nicht. Die Ärzte schlugen eine Manometrie vor, die den Dünndarm genauer untersuchen sollte. Aufgrund von Corona musste diese allerdings mehrfach verschoben werden und so wartete ich über ein halbes Jahr lang auf den Termin. Im Juni 2020 ging es mir dann so schlecht, dass mir die Ärzte eine rotierende Antibiose verschrieben. Es waren drei verschiedene Antibiotika, die ich alle jeweils 10 Tage lang einnehmen sollte. Ich quälte mich also einen Monat lang mit Antibiotika rum, die heute in der Form gar nicht mehr verabreicht werden dürfen. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen, das gerade an einem gescheiterten Experiment teilgenommen hatte.
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