Diagnose Nr.2: Neurogene Darmlähmung
- Ina Luzia
- 22. März 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni 2023
Im März 2019 war ich das erste mal zu Vorstellung im Hamburger Krankenhaus. Die stationäre Aufnahme war für Mai geplant. In den zwei Monaten bis zu den Untersuchungen war einiges passiert. Ich hatte ein paar alternative Heilmethoden ausprobiert, unter anderem Akupunktur und Osteopathie. Nichts davon hatte sich als hilfreich erwiesen. Eines Abends musste meine Mama mich nach Köln ins Krankenhaus fahren, da ich starke Magenschmerzen und Luftnot hatte. Es fühlte sich an, als würde ein kleines Männchen mir mit einem Flammenwerfer den Magen von innen verbrennen. Ich bekam starke Schmerzmittel und musste die Nacht über im Krankenhaus bleiben. Gegen 02:30Uhr wechselte eine Schwester die Infusion. Der Zugang war verstopft, aber die sie versuchte es trotzdem. Das Ende vom Lied war, dass das Schmerzmittel in den Muskel lief, mein Arm grün und blau wurde und ich einen neuen Zugang benötigte. Am nächsten Morgen wollte der Oberarzt mich noch mindestens eine Nacht da behalten und pries erneut die Botox-Injektion für den Magenpförtner an. Ich lehnte beides dankend ab und verließ in Windeseile mit Mama das Krankenhaus. Da es in den folgenden Wochen mit dem Essen und Trinken nicht besser, sondern schlechter wurde, stellte ich mich in einem Krankenhaus ganz in der Nähe vor. Mir konnten dort täglich Flüssigkeits-Infusionen gegeben werden, um wenigstens die Zeit bis zum Termin in Hamburg überbrücken zu können. Entweder fuhr ich nach der Berufsschule selber ins Krankenhaus oder meine Mama und mein Bruder wechselten sich ab, wenn ich mich nicht fit genug fühlte. Die meiste Zeit war ich zwar körperlich anwesend, aber geistig war ich ganz wo anders. Ich konnte mich kaum konzentrieren und manchmal fühlte es sich an, als würde ich mir selbst von oben zugucken. Montags musste ich immer vor der Schule ins Krankenhaus, um den Zugang gelegt zu bekommen. Nachdem die Ärzte über eine Stunde lang versucht hatten, die Nadel zu legen, musste der Zugang immer solange drin bleiben wie möglich. 20 Stiche braucht man nicht jeden Tag... Den Rest der Woche verbrachte ich Nachmittags im Krankenhaus. Da es gute zwei Stunden dauerte, bis die Infusionen durchgelaufen waren, kam ich Montags immer etwas zu spät in den Unterricht. Meinen Zugang im Arm verdeckte ich durch Pullover mit weiten Ärmeln. Als ich die Klassentür öffnete, war das erste, das ich von meinem Lehrer zu hören bekam: "Na, ausgeschlafen?" Nein ich war nicht ausgeschlafen, denn ich hing schon seit sechs Uhr im Krankenhaus an der Infusion, danke der Nachfrage. Die zwei Monate zogen sich hin. Um durchzuhalten schrieb ich die verbleibenden Tage auf eine Klopapierrolle, von der ich jeden Tag ein Blatt abriss. Eine Woche vor der stationären Aufnahme, musste ich jeden Tag eine Kapsel schlucken, die 20 röntgendichte Marker beinhaltete. Diese verteilen sich während des Verdauungsprozesses im Darm. Nach 6 Tagen Einnahme wird ein Röntgenbild gemacht. Dann lässt sich erkennen, wo sich welche Marker befinden. So kann festgestellt werden, ob die Kolon-Passagezeit verlängert ist. Wie ihr euch sicher denken könnt, war mein Darm ziemlich faul, sodass eine a. e. neuerogene Darmlähmung diagnostiziert wurde. Das bedeutet, dass sich meine Darmmuskulatur aufgrund eines Fehlers des Nervensystems kaum bewegt. Der 13C-Azetat- und der H2-Lactose-Atemtest zeigten keine Ergebnisse. Das bedeutet, dass ich weder den Bakterienstamm Helicobacter pylori, noch eine Unverträglichkeit auf Milchzucker habe. Durch den 13C-Octansäure-Atemtest konnte eine schwere Magenentleerungsstörung bestätigt werden. Die Atemtests waren keine große Sache. Das Testessen und Testgetränk, waren zwar eine Überwindung, aber ich musste nur für einige Stunden alle 20min in einen Beutel pusten. Die unangenehmste Untersuchung war der Ballonexpulsionstest (Anorektale-Manometrie), mit dem die Funktion des Schließmuskels untersucht wurde. Einzelheiten erspare ich euch an der Stelle. Der Test war wie zu erwarten unauffällig. Mit dem letzten Test, dem H2-Glucose-Atemtest, sollte eine Fehlbesiedlung des Dünndarms festgestellt werden. Die Ärzte erwarteten ein positives Ergebnis, denn das würde meinen Blähbauch erklären. Eine bakterielle Fehlbesiedlung (SIBO) des Dünndarms bedeutet, dass Bakterien aus dem reich besiedelten Dickdarm, in den eher Bakterien armen Dünndarm gelangen und sich dort ausbreiten. Die Bakterien nehmen die Nahrung auf und produzieren Gase. Diese können nicht entweichen und blähen dadurch den Bauch auf. Überraschenderweise war auch dieser Test negativ. Die Ärzte entließen mich mit einem Medikament namens Resolor. Dieses dockt an die Nervenzellen des Darms an und bringt die Muskulatur in Bewegung. Wie es mir mit der Einnahme von Resolor ergangen war und warum die Ärzte bei meinem nächsten Aufenthalt auf eine SIBO zurück kamen, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.

Kommentarer