Diagnose Nr.1: Gastroparese
- Ina Luzia
- 28. Feb. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Nun werde ich mit Euch einen Sprung in die Vergangenheit machen und das Diagnose-Chaos beseitigen, in dem ich nach und nach über die einzelnen Krankenhausaufenthalte schreibe. Meine Geschichte führt uns zurück zu dem Arzt mit der runden Brille. Es war im Oktober 2018, als ich das erste Mal für mehrer Tage im Krankenhaus war. Ich war natürlich gut vorbereitet und hatte selbst Gekochtes in Mamas Tupperdöschen dabei. Ich durfte am Aufnahmetag noch zu Abend essen und sollte dann ab 24 Uhr nüchtern bleiben, für die anstehende Untersuchung. Als ich gerade mein Kürbis-Curry löffelte, wunderte sich die Dame neben mir, wie ich eine so große Portion essen konnte. Die Frau neben mir hatte eine Gastroparese, die bei mir ebenfalls vermutet wurde. Bei einer Gastroparese, auch Magenentleerungsstörung genannt, entleert der Magen zu langsam. Es kann von chronischer Magenschleimhautentzündung bis hin zu Erbrechen nach der Nahrungsaufnahme führen. Warum ich nur zwei mal täglich essen konnte und warum meine Portionen nicht unbedingt klein waren, erklärt sich erst im Laufe meiner Geschichte. Um eine Gastoparese diagnostizieren zu können, sollte eine Magenentleerungsszintigraphie gemacht werden. Dafür musste ich in die Abteilung für Nuklearmedizin. Es ging zwei Stockwerke in die Tiefe. Ich stand vor einer schweren Tür, auf der ein großes gelbes Dreieck klebte, mit dem Warnsymbol für Radioaktivität. Die Untersuchung war weder schmerzhaft, noch gefährlich. Aber die Atmosphäre dort unten war irgendwie beängstigend. Ich legte mich auf eine Liege, über mir schwebte ein großer, grauer Kasten. Für die Untersuchung sollte ich einen Pudding essen, der mit radioaktiven Teilchen versetzt war. Ich durfte den Pudding nicht selbst löffeln. Die Schwester schob mir also innerhalb kürzester Zeit den Pudding, Löffel für Löffel in den Mund und rief dabei: "Schlucken! Schlucken!" Nachdem ich es schaffte, mich nicht zu verschlucken, musste ich still liegen bleiben. Es wurde 90min lang gemessen, wie lange es dauert, bis der Pudding den Magen passiert hat. Normalerweise sollte der Pudding innerhalb von 20min im Darm sein. Da mein Pudding nach den 90min immer noch in meinem Magen lag, ergab sich die erste Diagnose: eine hoch pathologische Gastroparese von 25%. Sie nannten es auch idiopathische Magenentleerungsstörung, da der Grund unbekannt blieb. Das Essen verbringt also sehr viel Zeit in meinem Magen, wodurch sich beim Ultraschall zeigte, dass ich eine Gastritis Typ-C hatte. Meine Magenschleimhäute wurden durch die Nahrung dauerhaft gereizt. In den nächsten Tagen folgten Atemtests auf Lactose-, Fruktose-Unverträglichkeit und Zölliakie, sowie eine Magen-und Darm-Spiegelung. Alles war ohne Befund. Für die Magen-Darm-Spiegelung musste ich Abführen. Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, wie super das klappt, wenn die Flüssigkeit im Magen hängt und nur Tröpfchenweise in den Darm gelangt. Mein Bauch fühlte sich durch die viele Flüssigkeit an, als würde er dem Druck nicht standhalten können. Es wurde so schlimm, dass ich die Nachtärztin anflehte alles aus mir herauszuholen, egal wie. Das einzige was Sie sagte war: "Das geht nicht, hier ich gebe Ihnen ein Schlafmittel." Es war wohl ein Schlafmittel, dass erst im Darm resorbiert wurde, denn die Wirkung blieb aus. Dann folgte der Moment, den ich schonmal erwähnt hatte. Ich bekam meine erste Panikattacke. Die Luft schnürte sich zu und ich wusste nicht mehr wohin mit mir. Das war die Geschichte mit dem Münztelefon und der Krankenschwester, die mich am Empfang aufsammelte. Nachdem ich die Nacht überlebt und die Untersuchungen überstanden hatte, sollte am nächsten Tag ein MRT Sellink gemacht werden. Da mir die Schwestern fälschlicherweise gesagt hatten, dass ich etwas essen könnte, fiel die Untersuchung ins Wasser. Ich hätte schon wieder abführen müssen, was einfach zu viel für mich gewesen wäre. Ich hatte nämlich gerade von dem Arzt mit der runden Brille meine Diagnose gestellt bekommen. Die Geschichte mit dem Graphen, der nicht abfallend, sonder schnurgerade verlief... Das MRT Sellink, bei dem unter Gabe von Kontrastmittel im MRT der Dünndarm untersucht wird, wurde auf einen ambulanten Termin verlegt. Die Untersuchung war ebenfalls o.B. Bei der Entlassung wurde mir MCP verschrieben. Das hatte keine Wirkung und machte mich extrem müde. Ich war total benommen, schlief über 16 Stunden pro Tag und sah alles, wie durch einen Tunnel. Der nächste Versuch war Domperidon, auch das blieb ohne Wirkung. Da ich den Ärzten immer und immer wieder sagte, dass es ein Problem im Darm geben muss, nahmen sie mich ein paar Wochen später erneut stationär auf, um eine Kapselendoskopie zu machen. Hier schluckt man, nachdem der Darm "sauber" ist, eine große Tablette, die mit einer Kamera versehen ist. Während die Pill-Cam durch den Verdauungstrakt wandert, sendet sie Bilder von der Schleimhaut an einen Datenrekorder. Diesen trug ich wie eine Handtasche bei mir. Ich lag auf einem Dreibettzimmer und war erstaunt, wie manche Menschen mit ihrer Gesundheit umgehen. Eine Frau mit Helicobacter verließ das Krankenhaus, um sich gegen ärztlichen Rat einen Döner zu kaufen. Das Mädchen neben mir aß ausschließlich Fast Food und trank am liebsten Cola, obwohl sie laktoseintolerant war und an Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, litt. Was das Thema Ernährung angeht, hatte sie noch einiges aufzuholen. So wusste sie zum Beispiel nicht, dass Butter von Naturaus laktosefrei ist, hingegen Burgerbrötchen Laktose enthalten können und dass man mit Cola den Abfluss reinigen kann. Irgendwie machten mich die zwei wütend. Beide hatten im Gegensatz zu mir eine stichhaltige Diagnose bekommen. Ich tue alles für meine Darmgesundheit, hingegen diese beiden sie mit Füßen treten. Was meine Kapsel angeht, die war bei meiner Entlassung noch irgendwo in meinem Bauch, deshalb sollte ich Zuhause darauf achten, ob sie rauskommt. Die Auswertung der Bilder zeigte aber keine Auffälligkeiten, wie sollte es auch anders sein. Deshalb wurde mir erneut der Vorschlag mit dem Botox gemacht. Dieses sollte in den Magenpförtner gespritzt werden, um den Magenausgang dauerhaft offen zu halten. Da Botox sich bekannter Maßen nach einer Weile abbaut, wollten sie mir im nächsten Schritt den Pylorus (Magenpförtner) durchschneiden. Das war die Methode, bei der meine Mama den Arzt fragte, ob ich in 10 Jahren noch gut damit leben könnte und dieser daraufhin mit anderen Worten sagte, dass er das nicht wüsste. Enttäuscht verließ ich das Krankenhaus. Ich fühlte mich mal wieder nicht verstanden. Einer der schlimmsten Momente, was das angeht, war als ich einer Ärztin meinen aufgeblähten Bauch zeigte und sie nur sagte: "Der sieht doch normal aus." Ich sehe aus, als hätte ich einen Ballon verschluckt und sie sieht das nicht? Sogar im Liegen, wo der Bauch eigentlich nach innen gewölbt sein müsste, streckt sich meiner nach außen. Ich war fest davon überzeugt, dass der Magen nicht alleine für meine Beschwerden verantwortlich sein kann. Es hatte alles irgendwie keinen Sinn gemacht. Während ich alternative Heilmethoden, wie Homöopathie, Osteopathie und Akkupunktur ausprobierte, forschte ich im Internet nach Kliniken und Krankheitsbildern, bis ich auf ein Krankenhaus in Hamburg traf. Egal welches andere Krankenhaus ich anrief, alle schickten mich in die Hansestadt, weil dort die Spezialisten Deutschlands sein sollten...
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