Der Arzt mit der runden Brille
- Ina Luzia
- 10. Nov. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Jan. 2021
Bis vor ein paar Jahren war ich immer nur als Besucher im Krankenhaus. Weil mal wieder jemand vom Pferd gefallen war oder ich einen meiner Opas besuchen kam. Ich dachte, dass ich eine Klinik als Patient erst mit frühestens 100 Jahren betreten würde. Aber ich lag wohl ein kleines bisschen daneben. Bei meinem ersten richtigen Aufenthalt erinnere ich mich noch genau an den jungen Arzt mit runder Brille. Ich hatte schon mehrere Untersuchungen hinter mir und wartete nervös auf die Ergebnisse. Es hört sich wohl völlig unverständlich an, aber ich hoffte, dass ich krank bin. Wenn ich geahnt hätte wie schwer krank ich tatsächlich bin, hätte ich wohl anders gedacht. Aber zu diesem Zeitpunkt war das wichtigste für mich, dass es für meine Beschwerden einen Grund gab. Meine Mama war gerade bei mir, als der besagte Arzt rein kam. Er bat meine Mama und mich ins Arztzimmer, weil er die Befunde ohne Beisein meiner Zimmernachbarin besprechen wollte. Wir saßen also da, neben dem Arzt mit der runden Brille, der aussah als wäre er gerade erst mit dem Abitur fertig. Ganz sachlich erklärte er uns die Befunde. Ich hörte zwar zu, aber ich hörte nichts. Nur ein Rauschen, sonst nichts. Ich sah auf den Monitor. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Mathestunde, in der Funktionen und Graphen behandelt wurden. Mein Graph war nicht abfallend, wie er hätte verlaufen müssen. Sondern er war schnurgerade. Ich bekam erst wieder Wörter und ganze Sätze mit, als meine Mama Fragen über die Behandlungsmethode stellte. Eine der Fragen war, wie lange ihre Tochter mit einem solchen Eingriff leben würde. Die Antwort des Arztes war wie aus dem Lehrbuch: "Diese Methode praktizieren wir erst seit einem Jahr, daher liegen uns keine Langzeitstudien darüber vor." Punkt. Das war's. Uns war sofort klar, dass so ein Eingriff nicht in Frage kommen würde. Denn wir wussten damals schon, dass das nicht alles gewesen sein konnte. Am nächsten Tag hatte ich auch noch Untersuchungen. Weil es mir am Abend unglaublich schlecht ging, bekam ich Panik. Ich musste meinen Papa anrufen, aber in diesem Bunker von Krankenhaus bekam ich keinen Empfang. Ich lief runter zur Aufnahme und fragte, wo es hier ein Münztelefon gäbe. Aber im gleichen Atemzug fiel mir ein, dass ich kein Geld dabei hatte. Während ich heulend mit der Frau bei der Aufnahme darüber verhandelte, ihr Telefon benutzen zu dürfen, stürmte eine Schwester der Station runter. "Hier sind Sie! Wir haben Sie schon überall gesucht. Beruhigen Sie sich erstmal. Sie können doch mit unserem Stationstelefon Zuhause anrufen." Die Schwester nahm mich in den Arm und ging mit mir zurück auf Station. Im Schwesternzimmer kam ich erst zur Ruhe, als ich Papa's Stimme hörte. Mein Papa ist einfach mein Held! Und auch alle Krankenschwestern und Pfleger dieser Welt, sind Helden. Das wird nicht die einzige Geschichte bleiben, in der mir die Krankenschwestern und Pfleger geholfen haben.
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