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Depression

Aktualisiert: 15. Juni 2023

Depression. Ein beängstigendes Wort. Ein Wort, das Bewertungen und Vorurteile förmlich anzieht. Jeder glaubt zu wissen, was eine Depression ist und doch wird sie kaum gesehen oder verstanden. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass ich mir vorstellen kann, was eine Depression ist. Aber da lag ich falsch. Erst jetzt, während einem akuten depressiven Schub verstehe ich, was es bedeutet, eine Depression zu haben. Es bedeutet in aller erster Linie Leere. Ich bin nicht da. Als hätte jemand die Ina in mir abgeschaltet. Ich fühle mich nicht. Und wenn ich mich fühle, dann fühle ich einen antriebslosen und erschöpften Körper, eine Seele die müde ist vom Leben. Wie kann es sein, dass einem die schönsten Dinge plötzlich keine Freude mehr bereiten, viel mehr noch, zur Qual werden? Eine Depression kann sich über einen langen Zeitraum anbahnen und dich dann plötzlich, wie eine Welle überrollen. Es ist nicht die erste Depression, die ich habe. Aber es ist die erste, die mir Angst macht. Normalerweise dreht sich mein Leben um die Motilitätsstörung. In guten Phasen Energie aufladen, um in schlechten Phasen durchhalten zu können. Aber nun ist die gute Phase keine gute Phase mehr. Ich kämpfe schon wieder gegen meinen eigenen Körper. Ich muss schon wieder durchhalten. Und genau das, macht mir Angst. Jeder einzelne Tag dreht sich ums durchhalten. Nur betrifft es jetzt alle Bereiche meines Lebens. Aufstehen, Anziehen, Zähneputzen, Duschen, vor die Tür gehen... einfach alles kostet extrem viel Überwindung. Ich habe Angst davor, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem ich nicht mehr durchhalten kann. Denn ich bin müde. Ich bin so müde, dass ich Nachts nicht mehr schlafen kann. Nachmittags die Augen zu zu machen fällt leichter, als irgendetwas zu tun. Mein Schlafrhythmus ist kein Rhythmus mehr, eher ein Glücksspiel. Deshalb sei es wichtig, so meine Therapeutin, Nachmittags nicht einzuschlafen. Macht Sinn, erschwert mir den Tag aber noch ein bisschen mehr. Um nicht einzuschlafen, setzte ich mich an den Schreibtisch und starre einen Bildschirm an, auf dem schon seit Tagen die immer gleiche Seminarfolie aufgeschlagen ist. Obwohl ich es, entgegen jeder einzelnen Faser meines Körpers, geschafft habe mich an den Schreibtisch zu setzten, meinen PC anzumachen und die Unterlagen für die Uni zu öffnen, lässt mich meine Konzentration im Stich. "Hat sich die Anstrengung ja doch nicht gelohnt.", gibt mir mein innerer Kritiker zu verstehen. Der innere Kritiker in uns, meint es eigentlich nur gut. Er versucht auf uns aufzupassen und möchte, dass wir das Richtige tun. Doch manchmal vergreift er sich im Ton und spricht zu uns, wie zu keinem anderen. Für unsere Mitmenschen zeigen wir Verständnis, zu uns selber sind wir jedoch gnadenlos. Deshalb habe ich eine Hausaufgabe bekommen. Ich soll meinen inneren Kritiker wahrnehmen, notieren was er mir sagt und ihm dann mit den Worten meiner besten Freundin antworten: "Was würde Annika jetzt sagen?". Wenn Annika und ich zusammen sind, ist es als hätte jemand die Welt um uns herum eingefroren. Dass sich die Erde doch noch weiter dreht, merken wir immer dann, wenn der Telefonanbieter das Gespräch nach 2 Stunden abbricht. Damit will ich nur sagen: Reden ist das A und O bei einer Depression, auch wenn es manchmal nur 3 Wörter in einem Meer aus Tränen sind. Eine Person, die zu jeder Tageszeit für dich da ist, die dich niemals im Stich lassen würde, die dich auch ohne Worte versteht und der du zu 100% vertrauen kannst, ist das große Los. Finde eine Annika, denn das macht die schwersten Zeiten ein bisschen weniger schwer. Bei einer Depression arbeitet man voraus. Man versucht sich Tag für Tag einen Glücksmoment zu schaffen, damit es irgendwann leichter wird. Das Haus zu verlassen oder wenigstens das Bett, ist das wichtigste und gleichzeitig schwierigste Ziel des Tages. Meine Geheimwaffe war immer das Reiten. Egal wie sehr mein Bauchmonster versucht mich in die Knie zu zwingen, Reiten geht immer. Das dachte ich zumindest. Im Moment wird selbst das zu einer der größten Herausforderungen. Sich aufzuraffen ist, als hätte man eine schwere Erkältung mit Gliederschmerzen. Aber mit jedem Mal Reiten, fühlt es sich für einen kurzen Moment an, als hätte ich ein Stück Lebendigkeit zurückgewonnenen. Dann muss ich sowohl vor Freude als auch vor Wut weinen. Ich habe der Depression in diesem Moment einmal mehr getrotzt, aber ich hasse mich dafür, dass ich mich dazu zwingen musste. So anstrengend diese alltäglichen Dinge auch sein mögen, das schlimmste an der Depression ist für mich, dass sie meiner seltenen Erkrankung so ähnlich ist. Sie sorgt dafür, dass ich keinen Appetit mehr habe, obwohl mein Bauch "gut drauf ist". Sie wird von anderen nicht gesehen, nicht verstanden und zum Tabu Thema erklärt. Das gibt mir wieder einmal das Gefühl nicht ernst genommen und in Frage gestellt zu werden. Ina bleibt stehen und die Welt dreht sich weiter. Die Depression nimmt mir mindestens genau so viel wie die Motilitätsstörung. Das alles macht es so langsam unerträglich. Irgendwann kann auch der größte Kämpfer nicht mehr stark sein. Doch auch wenn es sich gerade aussichtslos anfühlt... Eine Depression ist behandelbar und die Erfolgschancen stehen ungefähr 100 mal besser, als für eine seltene Erkrankung.










 
 
 

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