Aushalten
- Ina Luzia
- 20. Dez. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni 2023
Den Schmerz aushalten... Für mich bedeutet aushalten, dass ich in den Arm genommen werde und solange weinen darf, bis ich keine Tränen mehr habe. Dass ich wütend Kissen durch mein Zimmer schmeißen und alles einfach Scheiße finden darf. Dass ich mich über alles lauthals aufregen darf und mich niemand versucht zu beruhigen. Den meisten Menschen fällt aushalten sehr schwer. Sie können mit dem Zustand des Betroffenen nicht umgehen und fühlen sich unwohl. Das ist ganz normal, schließlich ist es für alle eine schwierige Situation. Als mir eine alte Dame im Krankenhaus erzählte, dass sie bald an Krebs sterben wird, musste ich auch erstmal kurz nachdenken. Ich wusste im ersten Moment auch nicht recht, was ich tun sollte. Ich versuchte es mit positiver Ablenkung und fragte, ob Ihr Mann heute noch zu Besuch kommt. Sie blickte von der Decke in meine Richtung und fing an zu erzählen: "Ja er kommt jeden Tag. Sobald ich das Krankenhaus verlassen kann, möchte ich an die Nordsee fahren und dort mit ihm die verbleibende Zeit genießen." Dann lachte sie: "Ich möchte auf keinen Fall im Krankenhaus versauern." Ich weiß nicht, ob das immer die richtig Reaktion ist. Ich kann nur aus meiner Erfahrung heraus sprechen. "Bleib stark.", "Sei tapfer.",... sind Sätze, die man meistens nicht hören möchte. Sie haben nichts damit zu tun, etwas zusammen auszuhalten. Man kann und muss nicht immer stark und tapfer sein. Manchmal darf man auch einfach laut aussprechen, wie unfair das Leben sein kann. Als ich mal wieder ein schwieriges Telefonat mit einem der Ärzte geführt hatte, kam meine Mama zu mir, setzte sich neben mich und sagte: "Lass uns zusammen wütend und traurig sein." Es sind ganz einfache, aber gleichzeitig so wichtige Dinge. Aushalten ist eines der schwierigsten Aufgaben für Familie und Freunde. Es ist ein Zustand der Hilflosigkeit. Hilflosigkeit ist ein Gefühl, das mich nicht nur einmal bis zum äußersten gebracht hat. Um mich herum war plötzlich alles egal. Mir war mein Leben egal. Zwar habe ich Angst vor dem Tod und möchte noch nicht sterben. Aber an manchen Tagen dachte ich, wenn es jetzt durch einen blöden Zufall dazu kommen sollte, dann ist das eben so. Für solche Gedanken habe ich mir notiert, was mir durch schwere Zeiten hilft. Sei es ein Waldspaziergang, eine Runde Rollschuhfahren oder ein heißes Bad mit guter Musik. Natürlich fällt es mir schwer mich dazu zu motivieren, wenn doch alles um mich herum trist und grau erscheint. Aber ich werde immer wieder daran erinnert, dass es sich doch lohnt weiterzukämpfen. Ich bin mir sicher, dass das Leben noch sehr viel schönes bereithält...
Commentaires