Angst
- Ina Luzia
- 7. Feb. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Feb. 2021
Wovor haben die meisten Menschen Angst? Vor dem Tod? Einen wichtigen Menschen zu verlieren? Morgens zur Arbeit zu müssen? Es gibt unzählig viele Dinge wovor man sich fürchten kann. Aber auch vor dem Essen und sogar vor dem Trinken? Ja auch hier können sich Ängste entwickeln. Ich meine nicht die Angst davor dick zu werden. Ich meine die Angst vor dem Schmerz. Für die meisten Menschen ist Essen mit positiven Assoziationen belegt. Der Genuss des guten Geschmacks, das Auftanken von Energie, das wohltuende Sättigungsgefühl und die Freude in Gesellschaft zu sein. Für mich bedeutet es allerdings Stress und verkompliziert enorm mein Leben. Es fühlt sich an als würde mein Mund sagen: "Mhmm, lecker! Los Ina, das essen wir!" Aber mein Bauch schaltet noch im gleichen Atemzug das Alarmsystem hoch: "Achtung, Achtung, dies ist ein Code red! Auf keinen Fall essen wir das!" Es klingt absurd, aber das ist leider eine alltägliche Situation mit der ich konfrontiert bin. Jeden Tag kämpfe ich gegen den Nicht-Hunger. Ich esse weil ich muss, nicht weil ich will. Ich habe kein Hunger- und auch kein Sättigungsgefühl. Das Gefühl anhaltender Übelkeit und Völle ist mein ständiger Begleiter. Deshalb habe ich Jahre damit verbracht eine Strategie zu finden, mit der ich überleben kann. Jeden Tag habe ich mein Trink- und Essverhalten akribisch notiert. Dadurch wusste ich nach einer Weile wann ich was und in welchen Mengen vertragen kann. Meistens jedenfalls. Ich habe feste Zeiten, an denen ich mich zwinge zu trinken und zu essen. Meine Portionen sind genauestens abgewogen. Ihr mögt nun denken, dass ich einen Sprung in der Schüssel habe. Aber nur so komme ich durch den Tag, durch die Woche, durch den Monat, durch das Jahr. Ich lernte auf meinen Körper zu hören und wiederholte das, was mir gut bekam. Da ich nie Hunger oder Appetit auf etwas habe, kann ich jede Woche das Gleiche essen. Mir kommt es nie zu den Ohren raus. Damit ich mich aber trotzdem ausgewogen ernähre, habe ich ein Rezeptbuch erstellt, in dem ich alle Zutaten Gramm genau vermerkt habe. Vor der Operation hatte ich mit dem Trinken so starke Probleme, dass ich über Wochen täglich im Krankenhaus Flüssigkeitsinfusionen bekam. Essen und Trinken gleichzeitig oder in kurz aufeinander folgenden Zeitabständen ist einfach nicht möglich. Jetzt klappt es mit dem Trinken meistens deutlich besser. Trotzdem trinke ich sehr ungern, da es in meinem Kopf immer noch mit negativen Gefühlen besetzt ist. Das Problem mit dem Essen ist nach wie vor da. Das größte Übel an der ganzen Geschichte ist, dass man leider nur durch Essen und Trinken überleben kann. Also ist der absolute Verzicht, was für mich eigentlich ganz einfach wäre, keine Lösung. Ich muss mich meinen Schmerzen und Ängsten Tag für Tag stellen. Täglich grüßt das Murmeltier und zwar ziemlich unfreundlich. Wie ich versuche, mich dem gedanklich entgegenzustellen, erkläre ich am besten anhand eines Beispiels. Und zwar kommt mein Gedankenspiel aus dem Fußball. Wir gehen davon aus, dass sich der Torwart, der gleich einen Elfmeter halten soll, vor diesem Moment fürchtet. Entweder er entscheidet sich richtig zu springen und er fängt den Ball oder er springt falsch und der Ball fliegt ins Netz. Aber in jedem Fall muss sich der Torwart für eine Seite entscheiden. Denn vorher aufzugeben, ist keine Option. Es gibt schließlich immer die Möglichkeit, dass der Torwart den Ball, entgegen aller Erwartungen hält und vielleicht seine Furcht vor dem nächsten Elfmeter reduzieren kann. Ich habe absolut keine Ahnung von Fußball, aber diese Vorstellung hilft mir bei meiner Angstbewältigung. Also egal in welcher Lebenssituation Ihr Euch befindet, seid der Torwart vor dem Elfmeter. Angst ist das einzige Gefühl, dem man sich aktiv stellen muss, um es zu bekämpfen. Also steht auf, nehmt all Euren Mut zusammen und kämpft.
Comments